Impuls November 2022
Eine schützende Hülle könnten wir gut brauchen
Erinnern Sie sich noch an dieses Titelbild? Anfang Juni 2020 hatte ein unbekannter Kreativer das karolingische Modell der Justinuskirche verhüllt. Ganz sicher eine Hommage an den Künstler Christo, der kurz zuvor am 31. Mai verstorben war. Das Künstlerehepaar Christo und Jean Claude ist vor allem durch seine spektakulären Verhüllungsaktionen bekannt geworden: Der „Verhüllte Reichstag“ in Berlin 1995, die „Schwimmenden Stege“ in Italien 2016 und als letztes Werk der „Verhüllte Triumphbogen“ in Paris 2021 sind Bilder, die viele von uns kennen.
Wenn ich an den kommenden Winter denke, und daran, dass unsere Kirchen alle kalt bleiben, denke ich „so eine schützende Hülle könnten wir gut brauchen!“ Auch zu Hause und im Büro sind jetzt kühlere Temperaturen und dickere Pullover angesagt.
Bei dieser Form der Objektkunst geht es jedoch um mehr: die Künstler wollen uns lehren, das Alltägliche neu und schärfer zu sehen; es geht um eine Offenbarung durch Verbergen. Der Akt des Verhüllens verbirgt das Gewohnte und verwandelt es.
Mir persönlich gefällt die Transparenz der Verhüllung der Justinuskirche. Sie lässt den Stein durchscheinen und knistert beim Berühren. Doch letzteres erschließt sich uns nur, wenn wir neugierig sind und diese Berührung wagen.
Was also sind die Seile und Schnüre der Kirche und unseres Glaubens, die alles zusammenhalten und auch in Zukunft Stabilität geben können? Ermöglicht die heutige „Verpackung“ unseres christlichen Glaubens Einblicke in das tieferliegende Geheimnis oder versperren sie womöglich die Sicht? Kann uns die Botschaft der Verkündigung in unserer je eigenen Lebenssituation überhaupt erreichen oder sind wir an einem völlig anderen Ort unterwegs?
Vergessen wir dabei nicht: auf jede Verhüllung folgt irgendwann auch die Enthüllung. Denn die Kunstwerke von Christo und Jean Claude sind immer nur zeitweise existente und vorübergehende Erscheinungen. Sie verschwinden wieder planmäßig und spurlos. Nur, Skizzen, Fotos und Filmaufnahmen erinnern daran. Die Vergänglichkeit gehört zum künstlerischen Konzept .Und doch haben diese Werke uns gelehrt, dass große
Visionen nicht nur geträumt, sondern auch umgesetzt werden können.
Lassen wir uns davon inspirieren, wenn es um die Zukunft unserer Kirche hier in Sankt Margareta geht.
Franz-Karl Klug, Pastoralreferent